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Bundeskanzlerin 28.10.2020

Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und

Regierungschefs der Länder am 28. Oktober 2020

BESCHLUSS

TOP Bekämpfung der SARS-Cov2-Pandemie

Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder
fassen folgenden Beschluss:

Trotz der Maßnahmen, die Bund und Länder vor zwei Wochen vereinbart haben, steigt die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) inzwischen in nahezu allen Regionen Deutschlands mit exponentieller Dynamik an. Dies hat dazu geführt, dass bereits in zahlreichen Gesundheitsämtern eine vollständige Kontaktnachverfolgung nicht mehr gewährleistet werden kann, was wiederum zu einer beschleunigten Ausbreitung des Virus beiträgt. Aktuell verdoppeln sich die
Infiziertenzahlen etwa alle sieben und die Zahl der Intensivpatienten etwa alle zehn Tage. Nach den Statistiken des Robert-Koch-Institutes sind die Ansteckungsumstände im Bundesdurchschnitt in mehr als 75% der Fälle unklar. Zur Vermeidung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage ist es deshalb nun erforderlich, durch eine erhebliche Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen aufzuhalten und die Zahl der Neuinfektionen wieder in die nachverfolgbare Größenordnung von unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche zu senken. Ohne solche Beschränkungen würde das weitere exponentielle Wachstum der Infiziertenzahlen unweigerlich binnen weniger Wochen zu einer Überforderung des Gesundheitssystems führen und die Zahl der schweren Verläufe und der Todesfälle
würde erheblich ansteigen. Wesentlich ist es dabei auch, jetzt schnell zu reagieren. Je später die Infektionsdynamik umgekehrt wird, desto länger bzw. umfassender sind Beschränkungen erforderlich. Bund und Länder streben an, zügig die Infektionsdynamik zu unterbrechen, damit einerseits Schulen und Kindergärten verlässlich geöffnet bleiben können und
andererseits in der Weihnachtszeit keine weitreichenden Beschränkungen im Hinblick auf persönliche Kontakte und wirtschaftliche Tätigkeit erforderlich sind. Familien und Freunde sollen sich auch unter Corona-Bedingungen in der Weihnachtszeit treffen können. Dazu bedarf es jetzt erneut, wie schon im Frühjahr, einer gemeinsamen nationalen Anstrengung des Bundes und aller Länder. Bund und Ländern ist bewusst, dass die Beschränkungen für die Bevölkerung eine große Belastung darstellen. Deshalb gebührt der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung großer Dank, die bisher und auch in Zukunft diese Maßnahmen mit Gemeinsinn und Geduld einhalten und besonders denjenigen, die für die praktische
Umsetzung der Maßnahmen sorgen und natürlich auch denen, die im Gesundheitssystem ihren Dienst leisten.
Die Lage ist jetzt wieder sehr ernst. Vor uns liegen vier schwierige Wintermonate. Aber Bund und Länder sehen mit Zuversicht in die Zukunft. Die Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung und die einfachere Infektionskontrolle im Sommer geben uns die Hoffnung, dass Deutschland, wenn es gut durch diesen Winter kommt, im nächsten Jahr schrittweise die Pandemie überwinden und sich auch wirtschaftlich erholen kann. Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder ergänzend zu ihren bisherigen
Beschlüssen:

  1. Ab dem 2. November treten deutschlandweit die im Folgenden dargelegten
    zusätzliche Maßnahmen in Kraft. Die Maßnahmen werden bis Ende November
    befristet. Nach Ablauf von zwei Wochen werden die Bundeskanzlerin und die
    Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sich erneut beraten und die
    durch die Maßnahmen erreichten Ziele beurteilen und notwendige Anpassungen
    vornehmen.
  2. Wichtigste Maßnahme in der kommenden Zeit wird es sein, Abstand zu halten und
    Kontakte zu verringern. Die Bürgerinnen und Bürger werden angehalten, die
    Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen
    Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren.
  3. Der Aufenthalt in der Öffentlichkeit ist daher ab sofort nur mit den Angehörigen des
    eigenen und eines weiteren Hausstandes jedoch in jedem Falle maximal mit 10
    Personen gestattet. Dies gilt verbindlich und Verstöße gegen diese
    Kontaktbeschränkungen werden entsprechend von den Ordnungsbehörden
    sanktioniert. Darüber hinausgehende Gruppen feiernder Menschen auf öffentlichen
    Plätzen, in Wohnungen sowie privaten Einrichtungen sind angesichts der ernsten
    Lage in unserem Land inakzeptabel. Bund und Länder wirken bei den verstärkten
    Kontrollen zusammen.
  4. Bürgerinnen und Bürger werden aufgefordert, generell auf nicht notwendige
    private Reisen und Besuche -auch von Verwandten- zu verzichten. Das gilt auch
    im Inland und für überregionale tagestouristische Ausflüge.
    Übernachtungsangebote im Inland werden nur noch für notwendige und
    ausdrücklich nicht touristische Zwecke zur Verfügung gestellt.
  1. Institutionen und Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind,
    werden geschlossen. Dazu gehören
    a. Theater, Opern, Konzerthäuser, und ähnliche Einrichtungen,
    b. Messen, Kinos, Freizeitparks und Anbieter von Freizeitaktivitäten (drinnen und
    draußen), Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnliche
    Einrichtungen,
    c. Prostitutionsstätten, Bordelle und ähnliche Einrichtungen,
    d. der Freizeit- und Amateursportbetrieb mit Ausnahme des Individualsports
    allein, zu zweit oder mit dem eignen Hausstand auf und in allen öffentlichen
    und privaten Sportanlagen,
    e. Schwimm- und Spaßbäder, Saunen und Thermen,
    f. Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen.
  1. Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen, werden untersagt.
    Profisportveranstaltungen können nur ohne Zuschauer stattfinden.
  2. Gastronomiebetriebe sowie Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche
    Einrichtungen werden geschlossen. Davon ausgenommen ist die Lieferung und
    Abholung mitnahmefähiger Speisen für den Verzehr zu Hause sowie der Betrieb
    von Kantinen.
  3. Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie Kosmetikstudios,
    Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche Betriebe werden geschlossen, weil
    in diesem Bereich eine körperliche Nähe unabdingbar ist. Medizinisch notwendige
    Behandlungen, zum Beispiel Physio-, Ergo und Logotherapien sowie
    Podologie/Fußpflege, bleiben weiter möglich. Friseursalons bleiben unter den
    bestehenden Auflagen zur Hygiene geöffnet.
  4. Der Groß- und Einzelhandel bleibt unter Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des
    Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen insgesamt geöffnet. Dabei ist
    sicherzustellen, dass sich in den Geschäften nicht mehr als ein Kunde pro 10 qm
    Verkaufsfläche aufhält.
  5. Schulen und Kindergärten bleiben offen. Die Länder entscheiden über die
    erforderlichen Schutzmaßnahmen.

11. Für die von den temporären Schließungen erfassten Unternehmen, Betriebe,
Selbständige, Vereine und Einrichtungen wird der Bund eine außerordentliche
Wirtschaftshilfe gewähren, um sie für finanzielle Ausfälle zu entschädigen. Der
Erstattungsbetrag beträgt 75% des entsprechenden Umsatzes des
Vorjahresmonats für Unternehmen bis 50 Mitarbeiter, womit die Fixkosten des
Unternehmens pauschaliert werden. Die Prozentsätze für größere Unternehmen
werden nach Maßgabe der Obergrenzen der einschlägigen beihilferechtlichen
Vorgaben ermittelt. Die Finanzhilfe wird ein Finanzvolumen von bis zu 10 Milliarden
haben.

  1. Jenseits der umfassenden temporären Beschränkungen führen bereits die
    bisherigen Maßnahmen dazu, dass einige Wirtschaftsbereiche auch in den
    kommenden Monaten erhebliche Einschränkungen ihres Geschäftsbetriebes
    hinnehmen müssen. Deshalb wird der Bund Hilfsmaßnahmen für Unternehmen
    verlängern und die Konditionen für die hauptbetroffenen Wirtschaftsbereiche
    verbessern (Überbrückungshilfe III). Dies betrifft zum Beispiel den Bereich der
    Kultur- und Veranstaltungswirtschaft und die Soloselbständigen. Außerdem wird
    der KfW-Schnellkredit für Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten geöffnet
    und angepasst.
  2. Auch in der Pandemie wollen wir in Industrie, Handwerk und Mittelstand sicheres
    Arbeiten möglichst umfassend ermöglichen. Die Arbeitgeber haben eine
    besondere Verantwortung für ihre Mitarbeiter, um sie vor Infektionen zu schützen.
    Infektionsketten, die im Betrieb entstehen, sind schnell zu identifizieren. Deshalb
    muss jedes Unternehmen in Deutschland auch auf Grundlage einer angepassten
    Gefährdungsbeurteilung sowie betrieblichen Pandemieplanung ein
    Hygienekonzept umsetzen und angesichts der gestiegenen Infektionszahlen auch
    nochmals anpassen. Ziel ist u.a. nicht erforderliche Kontakte in der Belegschaft und
    mit Kunden zu vermeiden, allgemeine Hygienemaßnahmen umzusetzen und die
    Infektionsrisiken bei erforderlichen Kontakten durch besondere Hygiene- und
    Schutzmaßnahmen zu minimieren. Bund und Länder fordern die Unternehmen
    eindringlich auf, jetzt wieder angesichts der hohen Infektionszahlen, wo immer dies
    umsetzbar ist, Heimarbeit oder das mobile Arbeiten zu Hause zu ermöglichen.
    Die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden sowie die
    Unfallversicherungsträger beraten die Unternehmen dabei und führen Kontrollen
    durch.

14. Steigende Infektionszahlen führen leider auch zu einem Anstieg an Infektionen in
medizinischen Einrichtungen und bei vulnerablen Gruppen. Deren Schutz stellt
eine besondere Herausforderung dar. Deshalb haben die zuständigen Stellen je
nach den lokalen Gegebenheiten für die Krankenhäuser, Pflegeheime, Senioren und Behinderteneinrichtungen besondere Schutzvorkehrungen ergriffen. Dabei wird stets berücksichtigt, dass die jeweiligen Regelungen nicht zu einer
vollständigen sozialen Isolation der Betroffenen führen dürfen. Bei steigenden
Infektionszahlen werden diese Maßnahmen entsprechend angepasst. Der Bund
hat durch die neue Testverordnung sichergestellt, dass die Kosten der seit kurzem
verfügbaren SARS-CoV2-Schnelltests für regelmäßige Testungen der Bewohner
bzw. Patienten, deren Besucher und das Personal übernommen werden. Die
verfügbaren Schnelltests sollen jetzt zügig und prioritär in diesem Bereich
eingesetzt werden, um auch bei steigenden Infektionszahlen einen bestmöglichen
Schutz zu gewährleisten und sichere Kontakte zu ermöglichen. Einrichtungen der
Sozial- und Jugendhilfe sowie vergleichbare Beratungseinrichtungen bleiben
geöffnet. Die Krankenhäuser sollen weiterhin bei der Bereitstellung von
Intensivbetten unterstützt werden. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern
werden zeitnah praktikable Lösungen erarbeiten, die auch die Fortführung
finanzieller Unterstützungen enthalten soll. Krankenhäuser, die aufgrund der
Behandlung von SARS-CoV-2-Patienten besonders belastet sind, können wie in
der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung vorgesehen sanktionsfrei von den
Vorgaben abweichen.

15. und und Länder werden die Information über die geltenden Corona-Maßnahmen
noch einmal verstärken und durch möglichst einheitliche Maßnahmen die
Übersichtlichkeit erhöhen. Sie werden jedoch auch die Kontrollen zur Einhaltung
der Maßnahmen flächendeckend verstärken und dabei auch mittels
verdachtsunabhängiger Kontrollen, insbesondere im grenznahen Bereich, die
Einhaltung der Quarantäneverordnungen überprüfen.


16. Bund und Länder sind sich darüber im Klaren, dass es sich um sehr
einschneidende Maßnahmen handelt. Aber sie sind notwendig und sie sind mit
Blick auf das zu schützende Rechtsgut der Gesundheit der Bevölkerung und zur
Abwendung noch umfangreicherer wirtschaftlicher Schäden im Falle einer
unkontrollierten pandemischen Entwicklung verhältnismäßig.

Protokollerklärung Thüringen:

  1. Als Selbstorganisation der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder nimmt die MPK in der laufenden
    Pandemiebewältigung eine wichtige strukturierende Aufgabe wahr. Diese Aufgabe darf sie jedoch nicht überstrapazieren.
    Die MPK muss sich im Hinblick auf die Stärkung der Legislative bei der Pandemiebewältigung ihrer Funktion und den
    Grenzen ihrer Kompetenzen bewusst sein.
  2. Der Freistaat Thüringen stimmt dem Bundestagspräsidenten ausdrücklich darin zu, dass durch das Parlament konkrete
    Ermächtigungsgrundlagen für besonders eingriffsintensive Maßnahmen wie z.B. Ausgangssperren, Kontaktverbote und die
    Verhängung eines sogenannten Lockdowns geschaffen werden müssen. Der Freistaat Thüringen erwartet deshalb, dass
    a. der Deutsche Bundestag eine akute nationale Gesundheitsnotlage feststellt, der die von der
    Ministerpräsidentenkonferenz getroffenen Beschlüsse rechtfertigt, und
    b. der Bundesrat in seiner nächsten Sitzung seinerseits die vorher vom Deutschen Bundestag getroffene Feststellung
    einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage ebenfalls vornimmt
    Der Freistaat Thüringen erwartet zudem, dass der Deutsche Bundestag schnellstmöglich die notwendigen Anpassungen
    des Infektionsschutzgesetzes abschließt.
  3. Mit Blick auf das gemeinsame Ziel der Vermeidung einer Überforderung des Gesundheitssystems begrüßt der Freistaat
    Thüringen und trägt diejenigen Maßnahmen mit, die für eine wirksame Eindämmung des Infektionsgeschehens durch
    wissenschaftliche Erkenntnisse geeignet und verhältnismäßig sind und erwartet vom Bund diese evidenzbasierte
    Untersetzung der Maßnahmen.
  4. Der Freistaat Thüringen erwartet vom Bund, dass er mittels seiner Finanzkraft und der ihm gegenüber den Ländern allein
    obliegenden Gestaltungsmöglichkeiten der steuerlichen Einnahmeseite dafür Sorge trägt, dass alle von den getroffenen
    Maßnahmen unmittelbar und mittelbar betroffenen Akteure, darunter insbesondere Solo-Selbständige, Selbständige,
    gemeinnützige Institutionen und weitere, wirksam unterstützt werden und weiterhin Maßnahmen getroffen werden,
    Schieflagen zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzufangen.
  5. Der Freistaat Thüringen erklärt, dass mit der Verabschiedung des MPK-Beschlusses kein Präjudiz das für parlamentarische
    Verfahren im Freistaat Thüringen verbunden ist.